Das Leben wird immer schneller, immer stressiger und man hat kaum noch Zeit, durchzuatmen. Umso schöner ist es, aus den Alltagsroutinen auszubrechen und frei und entspannt die Welt zu bereisen. Doch aufgepasst: Der Stress soll zuhause bleiben. Ganz im Sinne des Slow Travel. Warum es so gut tut, einen Gang herunterzufahren und warum das vor allem auf deinen Reisen essenziell ist, will ich dir hier näherbringen.

Was ist Slow Travel?

Wie es der Name schon erahnen lässt, geht es beim Slow Travel um das langsame, bewusste Reisen. Wir wollen das richtige, authentische Leben auf unserer Reiseroute spüren und nicht nur von Kirche zu Kirche rennen. Wir sammeln nicht möglichst viele Fotos und haken nacheinander alle Sehenswürdigkeiten auf unserer Bucket List ab. Wir wollen das echte Leben vor Ort kennenlernen – mit all unseren Sinnen.

Klar, Plan und Organisation sind schön und gerade auch beim Reisen ganz hilfreich. Aber nur solange uns genügend Freiräume bleiben. Wir wollen die Welt doch schließlich entdecken, oder? Oder geht es dir beim Reisen nur darum, möglichst viele Bilder von den bekanntesten Gebäuden auf Instagram zu posten?

Beim Slow Travel nimmst du dir Zeit und vor allem den mentalen Raum, dich von deinem Reiseland überraschen zu lassen. Du lässt dich von dem Alltag und den Einheimischen leiten. Du läufst keine vorgefertigte Reiseführerroute ab, nur um wirklich alles auf deiner Bucket List abzuhaken. Du bestimmst ganz individuell, wo dich der Wind hinträgt und wonach du dich gerade fühlst. Natürlich kannst du dir dabei Inspiration holen – sei es online, auf Papier oder durch Gespräche mit anderen Backpackern oder Locals. Die Quintessenz bleibt: Sei frei und spontan, denn der Weg deiner Reise ist dein eigentliches Ziel.

Blick in die Weite des Ozeans an einsamen Strand
Durchatmen am einsamen Strand in Salina del Marques, Mexiko

Slow Travel vs. Fast Travel vs. Pauschalreisen

Wer kennt es nicht? Man hat frei und möchte verreisen. Bei einer kurzen Google-Suche findet man eine Pauschalreise im Angebot und wähnt sich in dem Luxus, in den Flieger zu steigen und sich einfach nur zurückzulehnen. Es ist für alles gesorgt: Die Strandliegen sind im Preis enthalten, kostenloses Essen gibt es den ganzen Tag über und bewegen muss man sich eigentlich gar nicht. Klingt nach dem optimalen Erholungsurlaub? Das mag sein, doch hast du am Ende tatsächlich etwas von dem Land gesehen? Weißt du, wie die Menschen ticken? Weißt du, wie ihr Essen schmeckt?

Genau das unterscheidet neugierige Backpacker von gewöhnlichen Urlaubern. Wir wollen mehr: mehr entdecken und erleben. Wir reisen, um…

  • … unseren Horizont zu erweitern,
  • … uns selbst zu finden,
  • … neue Kulturen hautnah zu erleben,
  • … die Welt aus einer anderen Perspektive wahrzunehmen.

Und das verlangt Zeit und Bewusstsein. Slow Traveling stellt Qualität vor Quantität. Besondere, vielleicht gänzlich unerwartete Erfahrungen zählen mehr als eine Vielzahl an besichtigten Sehenswürdigkeiten.

Was schnelles Reisen mit mir macht

Zu Beginn meiner Mexiko Rundreise war ich vorwiegend auf der Suche nach Attraktionen und wollte mir die berühmten Sehenswürdigkeiten ansehen. Nach 2 Wochen hin und her hetzen, alle 2-3 Tage in eine neue Stadt, war ich ausgeknockt. Ich war körperlich ausgelaugt und auch mental. Ich hatte zwar viele schöne Momente und tolle Bilder in meinem Gedächtnis, doch heute nach ein paar Monaten weiß ich nicht mehr allzu viel von der Zeit. Es ging alles zu schnell. Es war kaum Zeit, das Erlebte zu verarbeiten. Die folgenden Wochen nahm ich mir mehr Zeit und blieb auch mal eine Woche und länger in einer Stadt. Das tat nicht nur meinem Körper und meiner Seele gut, sondern half mir auch das wirkliche mexikanische Leben kennenzulernen. Ich war nicht mehr nur von Touristen an den bekannten Hotspots umgeben, sondern lernte Locals und ihre Gewohnheiten kennen.

Tanzende Paare allen Alters in der Stadt
Fröhliche Tanzpaare im Stadtkern Celayas, Mexiko

Ich bevorzuge meistens kleinere, unbekannte Orte auf meinen Reisen. Wenn ich wirklich in eine Metropole oder einen gut besuchten Ort möchte, tue ich dies in der Nebensaison. Vom Massentourismus halte ich mich lieber fern, denn dann ist es mir zu überfüllt und zu teuer. Nach Brasilien und Rio de Janeiro ging es für mich gute 2 Wochen nach Karneval, auch wenn das natürlich ein besonderes Erlebnis gewesen wäre. Es sind zwar immer noch viele Menschen und Touristen vor Ort, doch die Massen sind wieder daheim. So lässt es sich etwas ruhiger leben.

Anstatt zu den Touristenhotspots zieht es mich zu den Locals und anderen reiselustigen Backpackern. Dadurch entstehen neue Kontakte, Freundschaften werden geschlossen und die Sprachkenntnisse kommen auch gut voran. Gehst du mit Respekt, Interesse und Offenheit auf die Menschen zu, wirst du schnell merken, dass sie dir gleichermaßen begegnen. Du wirst spannende Geschichten erfahren, andere Denkweisen kennenlernen und eine Menge fürs Leben lernen.

Warum langsam reisen?

Warum reisen wir überhaupt? Und warum solltest du langsam reisen, wenn es doch so viel auf der Welt zu sehen gibt? Das Reisefieber hat dich gepackt und du kannst gar nicht abwarten, so viel wie möglich von der Erde zu sehen. Dieses Hoch kenne ich gut. Doch ich habe gelernt, dass das auf Dauer anstrengend wird und in Demotivation umschlagen kann. Das wollen wir vermeiden. Das Reisen soll uns nicht auslaugen, denn damit verschwinden auch die Erinnerungen.

Nehmen wir uns Zeit für die täglichen Eindrücke, sind diese intensiver und nachhaltiger. Es bleiben Erlebnisse und Gefühle im Gedächtnis, die uns ein Leben lang prägen werden. Ein Foto von der 10. Kirche im Land kann da nicht mithalten – egal, wie hübsch sie ist.

Blick auf Theater in Altstadtgasse
Blick aufs Theater in Guanajuato, Mexiko

Entschleunigung ist das Stichwort, an das sich ein Slow Traveler immer wieder erinnert. Wir wollen unser Umfeld intensiv wahrnehmen, mit einem Bewusstsein für die kleinen Dinge. Uns ist wichtig, in die Tiefen zu gehen, die Hintergründe zu verstehen und wirklich ein Gespür für das Land und seine Bewohner zu bekommen. Auf dem Rückweg wollen wir nicht wieder von dem gleichen Taxifahrer übers Ohr gehauen und als naive Touristen abgestempelt werden. Durch das Verweilen an einem Ort, dem nahen Leben mit den Einheimischen und der Achtsamkeit, die wir an den Tag legen, wollen wir uns integrieren. Dabei lernen wir von den Locals und geben ihnen etwas zurück – allen voran Wertschätzung.

Nachhaltiger reisen

Langsamer reisen geht oftmals schon ganz automatisch mit nachhaltiger reisen einher. Du wirst merken, dass nicht nur deine Erfahrungen nachhaltiger sind, sondern du auch die Umwelt mit deinem Reiseverhalten schonst. Jetzt fragst du dich vielleicht, wie sich das denn zeigt. Das kann – gleich wie dein gesamtes Abenteuer – ganz individuell aussehen.

Die Wahl der Verkehrsmittel

Die Wahl der Transportmittel beeinflusst maßgeblich unseren ökologischen Fußabdruck. Anstatt kurze Wege mit dem Flugzeug oder Auto zurückzulegen, entscheide dich doch für eine umweltschonendere Alternative. Die kann sogar für deine (mentale) Gesundheit bereichernd sein. Mit dem Flugzeug geht es uns häufig darum, schnell an unserem Ziel anzukommen. Es ist mehr ein Mittel zum Zweck. Oder natürlich, um weite Entfernungen zurückzulegen. Willst du nach Australien oder Chile ist ein Flug wohl nahezu unvermeidlich, außer du möchtest mehrere Wochen auf See verbringen – was sicherlich auch ein tolles Abenteuer ist! Manchmal können wir den Flugverkehr also kaum vermeiden. Aber so strikt muss es auch gar nicht sein. Vor Ort, an unserer Destination angekommen, können wir das nämlich wieder kompensieren.

Wähle die örtlich verfügbaren öffentlichen Verkehrsmittel: Bus, Bahn, Zug, Rikscha, Kanu, etc. Du wirst merken, dass eine lange Fahrt mit dem Bus oder Zug richtig guttun kann. Du hast Zeit, deine Gedanken schweifen zu lassen, während du aus dem Fenster blickst und die Landschaft an dir vorbeizieht. Gerade bei längeren Strecken auf meiner Reiseroute genieße ich es immer total, die Natur und Stadtbilder des Landes zu beobachten. Geht es von einer zur nächsten Reiseetappe, ist es die perfekte Auszeit, um das Erlebte Revue passieren zu lassen, bevor man sich in das nächste Abenteuer stürzt.

Blick auf die Berglandschaft durchs Autofenster
Die weiten Landschaften Brasiliens ziehen vorbei

Slow Travel zu Fuß oder mit dem Rad

Natürlich gibt es immer noch umweltschonendere Fortbewegungsmittel als Bus, Bahn und Auto. Allen voran: die eigenen Beine. Nimm dir doch mal eine richtige Auszeit und erwandere dir deinen Weg. Oder schwinge dich auf deinen Fahrradsattel und bewege dich in deinem Tempo fort, soweit dich deine Beine tragen. So stehst du vor einer sportlichen Herausforderung und kannst deine Route wirklich ganz selbstbestimmt angehen. Nicht zu vergessen die Zeit zum Nachdenken und Abschalten, die du dir dabei schaffst. Und das Beste: Am Ende weißt du, was du geleistet hast und kannst stolz auf dich sein!

Selfie am Straßenrand in Kleinstadt der USA
Gestrandet in Austintown, einer amerikanischen Kleinstadt

Die Kosten von Slow Traveling

Einhergend mit dem Nachhaltigkeitsaspekt ist Slow Travel oft günstiger. Welcher Backpacker hört das nicht gerne? Hältst du dich längere Zeit an einem Ort auf, bekommst du oftmals günstigere Angebote für Unterkünfte. Im Idealfall findest du dabei einen Homestay, bei dem du mit Einheimischen zusammenwohnst und noch intensiver in ihre Lebensweise eintauchst. Das kannst du auch bei Freiwilligenarbeit über Workaway erleben.

Da es dich zum authentischen Leben zieht, bevorzugst du kleine Lokale, die von Einheimischen geführt werden. Die überteuerten Fast-Food-Ketten lässt du links liegen. So lernst du die echte landestypische Küche kennen, gibst weniger Geld aus und unterstützt gleichzeitig noch die Locals.

Wenn du mal an die Kosten einer typischen Reise denkst, siehst du schnell, dass der Transport und die Unternehmungen den größten Teil ausmachen. Bewegst du dich langsamer fort und arbeitest nicht nur die unzähligen Attraktionen ab, dann minimieren sich die Kosten schnell. Woran du aber garantiert nicht sparst, sind einzigartige Erfahrungen und lebenslange Learnings.

Bin ich ein Slow Traveler oder möchte ich es werden?

Wenn du dir nicht sicher bist, wie bewusst du das Reisen bisher angegangen bist, mache doch einen kurzen Selbsttest. Denk an deine letzte Reise zurück und frage dich selbst:

  • Was hat mich beeindruckt?
  • Was hat mich überrascht?
  • Was habe ich gelernt?
  • Hatte ich genug Zeit, meine neuen Erfahrungen zu verarbeiten?
  • Hat mich etwas zum Umdenken bewegt?
  • Habe ich meine Pläne mal über Bord geworfen und mich vom Leben leiten lassen?

Wenn dir zu allem etwas einfällt, kannst du dir auf die Schulter klopfen. Du hast das authentische Leben vor Ort kennengelernt und deine eigene Komfortzone verlassen. Wünschst du dir noch mehr solche bereichernden Erlebnisse, dann versuche immer mehr Spontaneität in deine Reisen zu bringen und lasse bewusst Lücken in deiner Planung. Beim Backpacking gibt es kein richtig oder falsch. Du gehst deinen eigenen Weg und machst das, worauf du Lust hast. Das sollte die einzige Devise sein. Und ja, vielleicht noch ein Backpack auf dem Rücken… Aber darüber lässt sich streiten.

Pferdegespann auf kanadischer Straßenkreuzung bei Sonnenuntergang
Das weite Farmland von Waterloo im kanadischen Winter

Fazit

Slow Travel ermöglicht dir, dir Raum und Zeit zu nehmen, deine Reise ganz nach deinen individuellen Bedürfnissen auszuleben. Du wirst gestärkt und bereichert, mit unvergesslichen Erfahrungen im Gepäck und intensiven Freundschaften zurückkehren. Zu Hause kannst du davon berichten, wie das Land deiner Reise und seine Einwohner tatsächlich sind. Du kommst als wahrer Experte zurück. Das schätzen Freunde und Familie meiner Erfahrungen nach mehr als den 7. Schlüsselanhänger als Souvenir. Auch mir selbst bringt dies mehr als irgendwelches Krimskrams, das nur im Regal verstaubt.

Was meinst du? Ist das dein Reisetyp oder möchtest du es mal ausprobieren? Dann los, aber nicht zu schnell!

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