Warum stellen wir so viele Vergleiche an? Wir vergleichen uns nicht nur selbst mit anderen, sondern ziehen Vergleiche zu allem um uns herum. Während des Reisens denke ich ständig darüber nach, woran mich ein neuer Ort oder eine neue Landschaft erinnern. Tue ich das, um Bekanntes mit einer neuen Erfahrung zu verbinden und diese Denkweise ist ganz natürlich und gut? Oder sollten wir lieber im Hier und Jetzt denken und uns von dem Unbekannten einnehmen lassen, ohne es auf Vergangenes zurückzuführen? Warum muss man immer alles miteinander verbinden? Alles und jeder ist einzigartig und sollte dafür wertgeschätzt werden. Sollten wir es nicht auch in unseren Gedanken so handhaben?
Nach ein paar Monaten in Deutschland bin ich wieder in Kanada und merke wie ich nur Ähnlichkeiten und Unterschiede wahrnehme. Ich vergleiche alles mit meinem Leben in Deutschland und bewerte das Leben hier auf dessen Basis. Ich habe einen größeren Kulturschock als sonst. Mir kommt Kanada unendlich weit und immens vor. Die Straßen sind breiter, die Entfernungen sind weiter und alles wirkt größer. Auf den ersten Blick schreckt es mich ab. Doch wieso? Ich habe über die Jahre gelernt, offen auf neue Kulturen, Länder und Menschen zuzugehen und Vorurteilen den Rücken zuzukehren. Ich möchte niemanden auf Stereotypen reduzieren, noch ein Land nur oberflächlich kennenlernen. Diese Kulturschocks sind Emotionen erster Eindrücke und oftmals ausgelöst durch mentale oder emotionale Überforderung. Von heute auf morgen ist das Leben ein anderes. Vergleichen ist dabei ein ganz natürliches Mittel, um diese neuen Eindrücke zu verarbeiten.
1. Vergleiche, um das Gewohnte zu finden
Wir sind Gewohnheitstiere. Nicht ohne Grund fällt es uns schwer, unsere Komfortzone zu verlassen und aus der Alltagsroutine auszubrechen. Reisen in andere Länder und Kulturen stellen uns vor viele ungewohnte Situationen, Gerüche, Geschmäcker, etc. Vergleiche sind letztlich dazu da, unser Gewissen zu beruhigen und Neues in ein bekanntes Schema einzuordnen. Wie sollen wir neue Geschmäcker sonst beschreiben? Wenn ich zum ersten Mal eine Empanada probiere und bisher nur indische Samosas kannte, wird mich der Geschmack ganz einfach daran erinnern. Das Gehirn versucht Verknüpfungen herzustellen, die dann in unseren Gedanken oder auch Konversationen in Vergleichen enden.
Nicht selten erwische ich mich dabei, wie ich bei der Erkundung neuer Orte kommentiere:
- „Die Aussicht hier erinnert mich total an …“
- „Sowas haben wir in Deutschland nicht.“
- „Bei uns ist das ganz anders.“
- „Das ist ein großer Unterschied zu …“
Sei es nur in meinem Kopf oder beim Austausch mit anderen – ich stelle alles in Kontrast und suche Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen Neuem und Altem.
2. Vergleiche, um das Beste zu finden
Ich strebe gerne danach, mein Bestes zu geben und möchte Erfolge erzielen. Ob für mich persönlich oder im weiteren Sinne für andere. Auf meinen letzten Reisen habe ich danach Ausschau gehalten, welches Land gut zu mir passt. Ich wollte herausfinden, ob ich mir vorstellen kann, in dem Reiseland auf Dauer oder für einen längeren Zeitraum zu leben. Beim nächsten Reiseziel stellt sich mir die gleiche Frage. Ich bin auf der Suche nach der Region, in der ich mir meine Zukunft oder einen Teil davon vorstellen kann. Dazu gehört es, Vor- und Nachteile abzuwägen. Ich muss die guten und die weniger guten Seiten der Länder analysieren, um für mich eine Schlussfolgerung zu ziehen.
Letztendlich sind Vergleiche dazu da, Gutes und Schlechtes auf beiden Seiten hervorzuheben und in Perspektive zu setzen. Das kann ganz objektiv bleiben oder sich subjektiv darstellen. Emotionen spielen häufig eine große Rolle und entscheiden darüber, ob du dich mit den erkannten Unterschieden wohlfühlst oder nicht. Es sollte allerdings nicht dazu führen, dass du Unterschiede von Vornherein als negativ bewertest. Wenn mich jemand fragt, was mir besser gefällt von zwei Dingen, ist die Entscheidung nicht immer so einfach. Oft lautet meine Antwort: „Es ist nicht besser oder schlechter; es ist einfach anders“.
3. Vergleiche, um Sicherheit zu gewinnen
Nicht selten habe ich in Brasilien gedacht und gesagt: „Hier sieht’s aus wie in Deutschland“. Nach einigen Monaten entfernt von der Heimat und mit so vielen neuen Eindrücken tagtäglich, die nicht an Zuhause erinnern, hat sich Brasilien für mich zum ersten Mal wieder nach Heimat angefühlt. Die Landschaftsstriche kamen mir vertraut vor. Die Berge erinnerten mich an meine vielen Läufe und Wanderungen in der Heimat. Die Vegetation war zwar häufig eine andere, doch dennoch grün und belebt. Es gab nicht so starke Gegensätze wie in der Wüste, an der Küste oder im puren Flachland. Oft fühlen wir uns dort wohl, wo uns vieles an unser Zuhause erinnert und nicht alles vollkommen neu und ungewohnt ist.
Das bedeutet nicht, dass ich nur nach Vertrautem suche. Orte, die in starkem Kontrast zu meinem Heimatland stehen, faszinieren mich. Ich liebe es, in gänzlich andere Kulturen einzutauchen und das Leben von einer anderen Seite kennenzulernen. Doch auch wenn das total schön und beeindruckend ist, ist es zwischendurch schön, ein Gefühl der Heimat zu spüren. Das kann sogar ganz weit entfernt sein, so wie ich es in Brasilien erlebt habe.
Fazit
Vergleiche zu ziehen, scheint eine ganz normale Reaktion des Gehirns zu sein, um Neues einzuordnen. Wichtig ist mir dennoch, nicht zu sehr davon beeinflusst zu werden. Ich möchte neue Erfahrungen und Orte so erleben wie sie tatsächlich sind und sie mir nicht von vorgefertigten Vergleichsbildern verfälschen lassen. Es ist essenziell, mit einem offenen Mindset auf neue Leute zu treffen und sie für das zu schätzen, was sie sind. Das Gleiche gilt für andere Kulturen und die Natur. Es ist nicht gerecht, sie auf das zu beziehen, was dir vertraut vorkommt. Schließlich findest du überall Unterschiede und das zurecht. Niemand und nichts ist ein Abbild eines anderen. Wir alle haben es verdient, uns individuell entfalten zu können. Zu strikte Vergleiche schränken dich ein. Sie versperren dir die Sicht und nehmen dir die Neugier und Offenheit, die besonders auf Reisen so wichtig ist.
Du kannst weiterhin Vergleiche anstellen, keine Frage. Doch stelle sicher, dass sie nicht die Oberhand einnehmen und du die Orte und Personen trotzdem noch mit offenen Augen wahrnimmst. Ich werde daran in Zukunft öfter denken und alles Neue so wertschätzen, wie es sich gehört. Die Erde hat so viel zu bieten und nirgendwo ist es vollkommen gleich. Die kleinen Unterschiede machen das Reisen und Leben so kostbar und spornen die Neugier nach dem Unbekannten noch weiter an. Finde deine Entdeckerfreude und schätze das, was sich dir auftut, wenn du die Augen öffnest.
Möchtest du noch achtsamer werden und deine Reisen ins Unbekannte noch intensiver wahrnehmen? Wie wär’s mit Slow Travel, um dein Reiseland tiefgründig und ohne Stress kennenzulernen? Lies mal rein und schau, was dein bester Weg ist … und geh‘ ihn dann!